Lithium-Abbau im Erzgebirge
Veranstaltung vom 3. November 2025
a. Inhaltliche Auswertung
Am 03. November 2025 haben wir eine Online-Debatte zum geplanten Abbau von Lithium in Zinnwald durchgeführt. In der Rolle der Verteidigung war Marco Uhlig zu Gast, Geschäftsführer der Zinnwald Lithium GmbH. Hier der Link zur (abgeschlossenen) Online-Diskussion:
Zur Diskussion stand das Vorhaben der Zinnwald Lithium GmbH, im Erzgebirge den für die Energiewende unentbehrlichen Rohstoff Lithium abzubauen.
Zum Hintergrund: Lithium ist insofern unentbehrlich, weil es der zentrale Grundstoff für Lithium-Ionen-Batterien ist, die den Strom für Elektrogeräte vom E-Auto bis zum Handy speichern. Bislang kommt das Lithium in deutschen Akkus vor allem aus Chile, Australien und China. Das bedeutet: Abhängigkeit von geopolitisch unsicheren Regionen und Förderung unter Bedingungen, die in starkem Widerspruch zu unseren Vorstellungen von Umweltschutz und Nachhaltigkeit stehen. In Zinnwald an der tschechischen Grenze liegt eines der größten Lithium-Vorkommen auf dem europäischen Festland . Das Unternehmen Zinnwald Lithium will das Erz abbauen, in der Nähe aufbereiten und als Endprodukt batterietaugliches Lithium für die europäische Industrie liefern. Das Unternehmen rechnet damit, jährlich ausreichend Lithium für 800.000 Elektroautos produzieren zu können.
Wenn man die in der Online-Diskussion eingebrachten Argumente mit berücksichtigt, stellt sich das Gesamtargument wie folgt dar:
„ZIEL ist es, mit dem Lithium-Abbau in Zinnwald unabhängig zu werden von der Rohstoff-Versorgung durch geopolitisch unsichere Regionen. Außerdem soll die Gewinnung von Lithium in Zinnwald es garantieren, dass die Förderung unter höchsten umwelt- und sozialverträglichen Standards geschieht.
Diese Ziele werden mittels folgender EFFEKTE erreicht: Der Abbau in Zinnwald wird einen relevanten Beitrag zur Lithium-Versorgung in DE leisten. Zudem erfolgt der Abbau nach deutschem- und EU-Recht. NEBENEFFEKTE(Beeinträchtigungen der Lebensverhältnisse) existieren zwar, sie wiegen aber weniger schwer als der Nutzen. Auch ALTERNATIVE HANDLUNGSOPTIONEN wie die Gewinnung von Lithium in der Altmark oder ein stärkerer Fokus auf Recycling statt Neugewinnung von Lithium sind kein Ersatz für die Gewinnung von Lithium in der Altmark.
Fazit: Lasst uns in Zinnwald Lithium abbbauen!“

Die Frage ist: Entsprechen die in diesem Argument aufgestellten Behauptungen der Realität? Mit ihren Beiträgen haben die Teilnehmenden der Online-Diskussion den Behauptungen kritisch auf den Zahn gefühlt. Der Deutlichkeit halber stellen wir die eingereichten Fragen zugespitzt als Einwände dar. Die Erwiderungen, die wir hier paraphrasiert widergeben, stellen Aussagen von Teilnehmenden dar – darunter auch der Zinnwald Lithium GmbJH. Es handelt sich nicht um unabhängig geprüfte Sachdarstellungen!
Gegenthese #relevanter Beitrag: Die mögliche Fördermenge in Zinnwald würde keinen wirklich relevanten Beitragfür die Versorgungslage in Deutschland liefern.
Erwiderung: Zinnwald Lithium soll zwischen 5 und 7 % vom angenommenen Verbrauch im Jahr 2030 liefern können. Diese Menge ist nahe an dem, was die EU als Basisversorgung definiert (10 % des Eigenverbrauches) und ist insofern ein relevanter Beitrag. Detailinformation: Die Basisversorgung bezieht sich auf den aktuellen industriellen Verbrauch des Rohstoffs. Darin sind noch nicht zukünftig steigende Bedarfe durch weitere innovative Anwendungen (z.B. humanoide Roboter oder ähnliches) eingerechnet.
Einwand #Umwelt- und Sozialstandards: Berichten zufolge hat Zinnwald Lithium keine EU-Anerkennung als „Strategisches Projekt“ gemäß Critical Raw Materials Act (Commission Decision of 25.3.2025) bekommen. Dies ist ein Zeichen dafür, dass hier keineswegs ein relevanter Beitrag zustande kommt.
Erwiderung: Die EU hat anerkannt, dass das Projekt wesentlich zur Versorgung beitragen kann. Allerdings fehlten zum damaligen Zeitpunkt Aussagen zur wirtschaflichen-, umwelt- und sozialverträglichen Umsetzbarkeit, um das Projekt ganzheitlich bewerten zu können. Deshalb erfolgte keine Anerkennung gemäß Critical Raw Materials Act. Ökologische Risiken werden in der jetzt beginnenden Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung (USVP) aufgelistet und danach evaluiert. Hier liegen die Ergebnisse noch nicht vor.
Einwand #Umwelt- und Sozialstandards: Auch wenn formal deutsches und EU-Recht gilt, schützt dies in der Praxis nicht davor, dass Umwelt- und Sozialstandards unterlaufen werden. Ein Beispiel dafür ist die Situation bei der LEAG in der Lausitz. Hier gab es explizite Schweigedeals zwischen Unternehmen und Kommunen in Bezug auf Trinkwassergefährdungen durch den Braunkohleabbau (https://correctiv.org/aktuelles/kampf-um-wasser/2023/12/20/kohlekonzern-leag-geheimsache-wasser/).
Erwiderung: Nichts kann zu 100% garantiert werden. Beispielsweise könnte es von der Restoffhalde Verwehungen geben, welche die Umwelt mit Staub belasten. Der Unterschied zwischen einem Projekt in Deutschland oder in anderen Regionen der Welt ist aber, dass in Deutschland das Zulassungskriterium schon so angelegt ist, dass das Unternehmen Zinnwald Lithium in der Nachweispflicht dafür ist, dass keine Schäden entstehen – und nicht Dritte nachweisen müssen, dass Schäden entstehen. Außerdem ist Zinnwald Lithium verpflichtet, ein Monitoring einzurichten. Dieses wird von der Behörde überwacht. Sollte es zu Verletzungen der Grenzwerte kommen, kann das sehr schnell zum Betriebstop führen.
Gegenvorschlag: Es gibt alternative Handlungsoptionen, die einen Ersatz für die Lithium-Förderung im Erzgebirge bieten!
#Recycling: Wir haben durchaus noch Reserven beim Recyclen. Ich habe davon gehört, wie viele Geräte [Elektroschrott] wir einfach nach Afrika verschiffen. Wir können sicher mehr recyceln und auch weniger Rohstoffe verbrauchen.
Erwiderung: Recycling braucht zunächst Primärquellen. Der Altbatterie-Pool ist noch zu klein. Europa braucht auch in den 2030ern zusätzlich heimische Primärproduktion, damit Recycling überhaupt aufbauen kann
#Lithium-Vorkommen in der Altmark: In der Altmark wurden offenbar große Lithium-Vorkommen entdeckt. Hier kann leichter und umweltverträglicher abgebaut werden. Die Altmark ist deshalb sehr viel besser dafür geeignet, den Bedarf in Deutschland zu decken.
Erwiderung: Die Ressource in der Altmark ist erheblich. Was davon technisch gewinnbar ist, ist derzeit noch nicht klar. Ob eine Vielzahl von Bohrlöchern umweltverträglicher und für das Grundwasser weniger Gefahren birgt ist als ein Bergwerk im Erzgebirge ist auch noch nicht klar. Die Direktgewinnung des Lithiums aus der Salzlösung, die in der Altmark benötig wird, braucht eine technisch ähnlich aufwendige Anlage wie die Förderung im Erzgebirge und müsste sich technisch auch erst noch bewähren. Derzeit gibt es weltweit noch keine industriell produzierende Anlage nach diesem Verfahren.
Was die Umweltverträglichkeit betrifft: In Zinnwald ist es möglich, die Oberflächennutzung gering zu halten, in dem wir nicht nur das Bergwerk, sondern auch den Transport zur Aufbereitung untertägig gestalten. In der Altmark sähe dies anders aus.
Einwand #Unabhängigkeit von geopolitisch unsicheren Regionen: Damit Lithium aus Deutschland eine echte Alternative ist, muss diese Lösung auch wirtschaftlich sein. Dies ist aber nicht gegeben. Denn: der Anteil von Lithium ist im Erzgebirgsgestein nicht sehr hoch. Im gesamten Kreislauf ist diese Lösung deshalb nicht wirtschaftlich.
Erwiderung: Zwar plant Zinnwald Lithium seinen Betrieb basierend auf dem Weltmarktpreis. Allerdings sollten bei der Bewertung nicht allein wirtschaftliche Faktoren mit einbezogen werden. Auch politische Erwägungen spielen eine Rolle. Für Europa sind Faktoren wie Liefersicherheit, die Vermeidung von langen Transportwegen und Souveränität durch eigenes Know-How von großer Relevanz. Dies könnte sich auch in öffentlicher Förderung niederschlagen. Zum Beispiel könnten öffentliche Aufträge mit einer Quote für Home Sourcing versehen werden. Außerdem muss man beachten, dass Lithium, welches wir importieren, dann nicht mehr günstiger ist, wenn man Abstriche bei Arbeitsbedingungen und Menschenrechten auch mit einem Preis versieht.
#Nebeneffekte: Die Beeinträchtigung der Lebensverhältnisse vor Ort wiegt schwerer als potenzieller Nutzen. Das Erzgebirge hat seit Jahren als Urlaubsstandort viel in die Struktur investiert hat. Dies würde sich nicht mit Lithium-Bergbau vertragen.
Erwiderung: Zu Umweltschäden und Beeinträchtigungen des Tourismus: Nicht nur das Bergwerk, sondern auch der Transport zur Aufbereitung wird untertage erfolgen und insofern kaum wahrnehmbar sein. Die Aufbereitungs- und Weiterverarbeitungsanlage wird, inklusive Reststoffhalde, eine Fläche von 115 Hektar umfassen. Die dafür geplante Fläche liegt zwischen Liebenau und der A17. Aktuell wird die Fläche zum Anbau von Futter für Milchvieh genutzt. Sie grenzt an ein Waldgebiet und hat Anschluss an den Autobahnzubringer, ohne weitere Ortsdurchfahrt. Die Reststoffhalde für sich wird eine Höhe von 60 Metern haben, auf einer Fläche von 80 Hektar. Dies entspricht ca. 12 Fußballfeldern.
Bei der Gesamtbewertung fällt nicht nur der erwartete Nutzen für Deutschland/Europa ins Gewicht, sondern auch, welche positiven Effekte für die Region entstehen. Zunächst zahlt das Unternehmen mit seinem Sitz in Altenberg Steuern an die Kommune. Eine Möglichkeit wäre es auch, dass die Abgaben des Unternehmens in eine Stiftung fließen oder in einen Regionalfonds, und das Bürger:innen entscheiden, was aus dessen Mitteln bezahlt wird. Ein Vorbild dafür bieten bereits existierende Projekte, in Deutschland, wo man sich auf einen Gewerbesteuerausgleich geeinigt hat. Um das zu ermöglichen, müssten auf Seiten des Gesetzgebers entsprechende Möglichkeiten geschaffen werden.
Außerdem wurden bereits jetzt, vor Beginn jeglicher Bauarbeiten, 30 Millionen Euro investiert, überwiegend mit Partnern aus der heimischen Wirtschaft. Der Lithium-Abbau wird gut bezahlte Industriearbeitsplätze und damit Zukunftsperspektiven für junge Einwohnende in ihrer Region schaffen. Je nach Fördermenge würden für die kommenden 40 bis 70 Jahre 300-400 direkte Jobs entstehen. Hinzu kommen noch einmal fünf mal soviel indirekte Jobs in der Region. Insgesamt sind ca. 30-50 Mio. € an jährlicher Wertschöpfung in der Region zu erwarten, durch die Vergabe von Service- und Dienstleistungsverträgen. Somit kann die Region neben dem Tourismus ein weiteres Standbein aufbauen.
Zusammenfassung

Aus den eingebrachten Stellungnahmen lässt sich folgendes Bild rekonstruieren:
Die Belege dafür, dass der Abbau in Zinnwald einen relevanten Beitrag („Basisversorgung“) zur Versorgung in Deutschland liefern könnte, wurden akzeptiert. Diskutiert, aber final nicht widersprochen wurde der Konklusion, dass auf diesem Weg die Unabhängigkeit von geopolitisch unsicheren Regionen zwar nicht vollständig, zumindest ein Stück weit realisiert werden könnte.
Nicht Widersprochen wurde der Aussage, dass der Abbau in Zinnwald nach deutschem- und EU-Recht erfolgen würde. Bedenken, die final nicht beigelegt werden konnten, gab es zu der Frage, ob daraus wirklich folgt, dass höchste Standards auch immer eingehalten werden (Beispiel LEAG).
Wie stark die Lebensverhältnisse in Zinnwald inklusive des Tourismus beeinträchtigt werden, blieb Gegenstand der kritischen Diskussion. Eingebracht wurde das Thema Kompensationen (Gewinne für die Region durch Steuern und Jobs) sowie die Größe und Lage der für den Abbau vorgesehen Flächen.
Ins Spiel gebracht wurden außerdem zwei Alternativoptionen. Recycling als vollwertige Alternative zum Abbau von Lithium in Deutschland wurde einhellig verworfen. Was den Abbau in der Altmark betrifft, gab es Fragezeichen (keine Kontroverse!) bereits an der Durchführbarkeit beziehungsweise den Details einer Förderung.
Autor: Ralf Grötker
b. Weiterentwicklung der Methode
Unsere dritte Veranstaltung widmete sich dem Thema Lithium Abbau im Erzgebirge. Sie verzeichnete ein halbes Dutzend Teilnehmende zuzüglich der am Projekt Beteiligten und der die Thesen verteidigenden Personen (insgesamt 11 Personen). Im Verlauf der Debatte wurden 142 Beiträge (Kommentare, Moderations- und Systemnachrichten) verfasst. Der anschließende Evaluationsfragebogen wurde von vier Personen ausgefüllt. Die Moderation und Betreuung der Thesen-Verteidigung lag bei dieser Veranstaltung bei dem Projektpartner IKU vertreten durch Stefanie Dilger und Ralf Grötker.
Unsere Auswertung zeigte, dass die Teilnehmenden die Veranstaltung allgemein als positive Erfahrung eingestuft haben. Gemische Gefühle gab es jedoch bezüglich der Übersichtlichkeit und intuitiven Bedienbarkeit der Plattform. Während die Plattform störungsfrei lief, kritisierten einige Teilnehmer*innen vor allem die schwer nachvollziehbare und dadurch hürdenreiche Darstellung der Diskussion. Künftig könnte dies durch eine Aufteilung der einzelnen Debattenstränge in mehrere Threads (Themenabschnitte) geschehen. So könnten verschiedene Unterthemen bei Bedarf sortiert werden.
Rückmeldungen zu der Veranstaltung verdeutlichen, dass das Format bei den Teilnehmenden in dieser Veranstaltung nicht zu einer Veränderung oder Beeinflussung der eigenen Meinung geführt hat (s. Abb. 1).

Abb. 1 Die Debatte hat meine persönliche Meinung zum Thema beeinflusst oder differenziert
Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist anonym und theoretisch unter Pseudonym möglich. Dies hat den Vorteil, dass die Teilnehmer*innen ihre Identität während der Debatte nicht preisgeben müssen. Gleichzeitig birgt dieser Modus auch verschiedene Gefahren. Zum einen erschwert es die Nachvollziehbarkeit der Beiträge in Bezug auf deren Ursprung, zum anderen könnte dies in größeren Veranstaltungen für unsachliche Beiträge o.ä. missbraucht werden. Eine vorherige Anmeldung zur Teilnahme ist ebenfalls nicht notwendig, was die Planungssicherheit auf Seiten der Organisator*innen einschränkt, jedoch die Flexibilität für Teilnehmer*innen erhöht.
Die These wurde von Marko Uhlig[1] verteidigt. Ebenfalls während der Debatte anwesend war dessen Mitarbeiter Björn Fröbe[2], welcher sich Marko Uhlig bei der Verteidigung der These anschloss.
Im Anschluss an die Veranstaltung fand eine thematisch und methodisch sehr ähnliche Veranstaltung unter dem Thema „Dreiländereck-Lithiumkonferenz (DEU – CZ – BOL) – Grenzregionen zu Deutschland und Tschechien sowie Lateinamerika im Fokus“[3] statt. Beide Veranstaltungen hätten voneinander profitieren bzw. partizipieren können. Allerdings sorgte das Bekanntwerden der Anschlussveranstaltung im Verlauf der Diskussion dazu, dass die Debatte zeitweise von der Diskussion der These abkam. Erst durch moderatives Eingreifen, konnte die Debatte letztlich wieder zur eigentlichen Thematik geführt werden.
Im Laufe der Debatte kam es nicht zu der Vergabe der Festgelegten Deltas/Punkte durch das Moderationsteam bzw. durch die verteidigenden Personen. Dies wurde von der Moderation damit begründet, dass die Teilnehmer*innen keine ausreichenden Gegenargumente gegeben haben, welche sich somit Punkte verdient hätten. Dies könnte jedoch auch ein Hinweis darauf sein, dass die verteidigenden Personen nicht offen genug für die Gegenargumente waren. Dies wurde von den Teilnehmenden, die an der abschließenden Befragung teilnahmen, nicht bestätigt. Möglicherweise wurde die Verteidigung von der Moderation nicht explizit auf das Entgegenkommen und Verteilen der Deltas hingewiesen. Der Verlauf und die in der Debatte genannten Argumente können hier eingesehen werden.
[1] Geschäftsführer der Zinnwald Lithium GmbH (ZL)
[2] Medienkontakt und Kommunikationsexperte für Zinnwald Lithium
[3] https://sebit.info/termine/dreiländereck-lithiumkonferenz-deu-cz-bol-grenzregionen-zu-deutschland-und-tschechien-sowi-0
Autor: Sofie Götz


